Erzeugerhaftung

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peter e.
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Erzeugerhaftung

Beitrag von peter e. »

Ich bitte darum, sich nicht daran zu stören, dass der unten beschriebene Haftungsfall mit einem Pferdehalter und einer Pferdepension zu tun hat. Oftmals ist es ja so, dass kleine Schafhaltungen in Ermangelung entsprechender Geräte und Flächen ihr Winterfutter, also Heu oder auch Silage, zukaufen müssen. Und genau darum geht es mir.

OLG Hamm: Land­wirt haftet für selbst her­ge­s­tellte Silage

Hamm (OLG) – Verfüttert ein Landwirt von ihm hergestellte, kontaminierte Silage an ein bei ihm eingestelltes Pferd, das hierdurch erkrankt, kann er dem Eigentümer des Pferdes gegenüber verschuldensunabhängig haften. Hierauf hat der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm mit Beschluss vom 02.11.2016 hingewiesen. Daraufhin hat der beklagte Landwirt aus Schwerte am 23.12.2016 seine Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Hagen vom 27.11.2015 (Az. 8 O 166/11) zurückgenommen.

Die Kläger aus Hemer sind Eigentümer eines 1999 geborenen Pinto-Wallachs und Westernreitpferds. Dieses hatten sie im Pferdepensionsbetrieb eingestellt, den der Beklagte auf einem Hof in Iserlohn unterhält. Vereinbarungsgemäß versorgte der Beklagte das Pferd und fütterte es unter anderem auch mit Heu und selbst hergestellter Silage. 2011 erkrankte das Pferd zeitgleich mit anderen Pferden im Stall des Beklagten, die ebenfalls mit der vom Beklagten selbst hergestellten Silage gefüttert worden waren. Untersuchungen ergaben, dass bei den Tieren eine Botulismus-Erkrankung ausgelöst worden war, für die nur die Silage als Verursacher in Betracht kam.

Die Kläger ließen ihr Pferd tierärztlich behandeln, wofür Kosten in Höhe von ca. 15.700 Euro anfielen. Zur Übernahme dieser Kosten ist der Beklagte in erster Instanz durch das Landgericht Hagen verurteilt worden. Seine Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ist erfolglos geblieben. Der Beklagte hat diese zurückgenommen, nachdem der für das Berufungsverfahren zuständige 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm mit Beschluss vom 02.11.2016 auf die Erfolglosigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hatte.

Der Beklagte hafte auch ohne eigenes Verschulden für die durch die Botulismus-Erkrankung des Pferdes entstandenen Tierarztkosten, so der Hinweis des Senats. Seine Haftung folge aus dem Produkthaftungsgesetz, das ihm eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung für den Fehler eines von ihm hergestellten Produkts auferlege.

Die vom Beklagten hergestellte Silage sei ein Produkt im Sinne dieses Gesetzes, das durch die Kontamination mit den Botulismus-Erregern einen bestimmungswidrigen Fehler aufgewiesen habe.

Der Beklagte sei der Hersteller dieses Produkts, weil er das in seinem landwirtschaftlichen Betrieb verarbeitete Gras produziert, gemäht und gesammelt habe. Nach dem Produkthaftungsgesetz hafte auch ein Grundstoffproduzent. Nach dem Wegfall des Haftungsprivilegs für Naturprodukte seien auch die von Landwirten erzeugten Grundstoffe für Nahrungsmittel in die Produkthaftung einbezogen. Darüber hinaus habe der Beklagte das von ihm selbst produzierte und geerntete Gras zwecks Herstellung der Silage weiterverarbeitet. Auch das mache ihn zum Hersteller.

Zu Gunsten des Beklagten greife keiner der im Produkthaftungsgesetz geregelten Ausnahmetatbestände ein.

Der Beklagte habe die von ihm produzierte Silage geschäftlich in den Verkehr gebracht, indem er sie vereinbarungsgemäß an das Pferd der Kläger verfüttert habe.

Die Gefahr einer Kontamination der Silage, die zur Entstehung von Botulintoxin führen könne, sei zum damaligen Zeitpunkt allgemein bekannt und dem Beklagten auch bewusst gewesen. Die Kontamination stelle einen Fabrikationsfehler dar, von dem sich der Hersteller nicht entlasten könne. Unerheblich sei auch, ob er die Kontamination mit vertretbarem Aufwand habe feststellen können, weil der Hersteller nach dem Produkthaftungsgesetz auch für sog. „Ausreißer“ hafte.

Beschluss des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 02.11.2016 (21 U 14/16)
Ich unterstelle, dass Wiederkäuer bei der Futteraufnahme und Verwertung etwas <problemloser> sind als Pferde. Nichtsdesto trotz sollte sich jeder schon mal mit der Frage beschäftigen: was wäre wenn...?
peter e.

Auch dem Schwächsten ist ein Stachel gegeben -
sich zu wehren.

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mara
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Re: Erzeugerhaftung

Beitrag von mara »

Warum zahlt bei so etwas nicht die Betriebshaftpflichtversicherung?
Bei anderen "Schäden durch Futtermittel" tun die das ja auch (z. B. Siloballen rollt auf Strasse).
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Henry
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Re: Erzeugerhaftung

Beitrag von Henry »

Es ist nicht erwähnt, daß die Haftpflichtversicherung nicht greift.

Die greift nur immer erst, wenn der Versicherungsnehmer auch zur Haftung verpflichtet wurde und sie unterstützt ihn im Eigeninteresse dabei, Ansprüche abzuwehren. Vielleicht wollte der Pferdefütterer den Schaden ja übernehmen, aber da mehrere Pferde betroffen waren und die Summe nicht klein, wird ihn seine Versicherung zur Anspruchabwehr gedrängt oder verpflichtet haben. Sie leistet in aller Regel nämlich nur, wenn ein Gericht die Pflicht zum Schadenersatz auch rechtskräftig und der Höhe nach festgestellt hat oder die Angelegenheit für den Versicherer selbst klar aussichtslos aussieht.

Der Versicher ist in dem Falle also nicht Beklagter. Er zahlt, wenn der Beklagte verloren hat.
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balin
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Re: Erzeugerhaftung

Beitrag von balin »

Der Fall ist schon krass! Ich kaufe auch Futter zu, so ein Theater mache ich aber nicht. Der schlimmste Fall waren Scherben in der Silage, die einer Kuh das Leben gekostet haben. Die Ausrede kann ich mir schon vorstellen, daß die Glassplitter ja auch von woanders her gekommen sein könnten.
Man muß seine Sachen ja auch nachweisen können. Tatsache ist, daß ich da nichts mehr kaufe. ;)
Im Prinzip verlasse ich mich aber auf meine Tiere. Wenn sie etwas für fressbar halten, dann ist das für mich ok. Ich bin ein unkomplizierter Kunde.
Lieferbeziehungen sind Vertrauenssache. Mit extensiven Wiederkäuern bewegt man sich zudem ja auch in einer Marktlücke. Überständiges Gras ist ja anders auch kaum mehr zu verwerten. Die Naturschutzwiesen müssen ja irgendwohin!.
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Henry
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Re: Erzeugerhaftung

Beitrag von Henry »

balin hat geschrieben:Der Fall ist schon krass!
In diesem Falle wurde kein Futter zugekauft, sondern erzeugt und vertragsgemäß verfüttert. Es stand außer Zweifel, wer die Silage hergestellt und vorgelegt hat. Mir ist nicht klar, warum man Pferden Silage füttert, aber ich kenne mich mit Pferden auch nicht aus. Was mich freut ist aber, daß jemand 15.000 Euro aufwendet ein Tier zu retten und über die Summe nicht diskutiert wird. Ein Hunderstel wünschte ich mir als normal für's kranke Schaf. :) Ein Tausendstel wäre aber auch OK. :engel1:
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Schnuckenlady
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Re: Erzeugerhaftung

Beitrag von Schnuckenlady »

Letzten Endes hat der pferdebesitzer das Futter ja schon gekauft, schließlich bezahlt er ja dafür. Ich gebe die Henry allerdings recht, silage für Pferde ist weniger sinnvoll. Sie werden dann super schnell Fett.
Und über Kosten lässt sich streiten. 15.000€ sind auch für ein "normales" Pferd teuer. Ich kenne mich mit dieser Krankheit zu wenig aus um die Kosten in Relation zum Pferd zu vergleichen,nur ist es definitiv unwirtschaftlich. Hart gesagt, in der Zucht würde dieses Pferd eher dem Metzger zugeführt werden als behandelt, wenn es nicht gerade ein Champion ist oder potenziell wird. Ich behaupte mal, Menschen die wie in diesem Fall soo viel für ihr Pferd bezahlen, sind menscheb, die nichts mit ihrem Geld anfangen zu wissen.

Ich selbst muss das Winterfutter auch kaufen. Und ich hatte auch schon Plastik, Glas oder leider ein Rehkitz im Bällen. Man kann aber nicht jedes mal den Erzeuger dafür verantwortlich machen. Niemand sieht, wenn dort eine Glasflasche achtlos in die Wiese geworfen wurde. Am Ende steht man immer noch selbst und muss kontrollieren. Und das ist wahrscheinlich der einzige Fehler, den die Person oben begangen hat. Einfach beim füttern nicht auf Qualität geprüft.
Grüße Schnuckenlady
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Re: Erzeugerhaftung

Beitrag von Braunes Bergschaf »

Das Urteil ist interessant.
Wie ist das, wenn sich, zum Beispiel durch Stuhluntersuchungen, nachweisen ließe, dass eine Antibiotikaresistenz beim Menschen sich durch den Verzehr eines bestimmten landwirtschaftlichen Produkts entwickelt hätte?
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Henry
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Re: Erzeugerhaftung

Beitrag von Henry »

... dann ist das kein unmittelbarer Schaden und eine andere Angelegenheit.
Henry
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mara
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Re: Erzeugerhaftung

Beitrag von mara »

...dann wäre man selber Schuld, da nicht genug hoch erhitzt (steht ja mittlerweile auch überall drauf).
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