Ursachen für geringe (keine) Leitfähigkeit

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Chrigula
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Ursachen für geringe (keine) Leitfähigkeit

Beitrag von Chrigula »

Wir haben gestern Abend unsere Schafe auf die neue Weide gebracht, welche ich eine Woche zuvor eingezäunt hatte. Mir ist beim Einzäunen schon aufgefallen, dass das Gras teilweise recht hoch ist, da ich aber keine Sense dabei hatte, beliess ich es dabei (Anfängerfehler :oops: ). Als wir dann gestern das Batterie-Gerät angehängt haben, war da kein Strom drauf... Also haben wir die Netze versuchsweise mal voneinander abgehängt und gemerkt, dass es sehr wohl Strom drauf hat, wenn wir das Gerät nur am ersten Netz anhängen. Wir gingen deshalb davon aus, dass es am Bewuchs liegen muss.
Da es schon dunkel war haben wir uns dazu entschlossen, die Schafe über Nacht erst mal ohne Strom eingezäunt zu lassen (unsere Mähdels sind grundsätzlich sehr "netztreu") und heute die Stellen mit dem hohen Bewuchs auszumähen.

Ich habe mich nun aber gefragt, ob es wirklich nur am teilweise hohen Bewuchs liegt oder ob es evtl. auch daran liegen kann, dass wir bei dieser Weide höhere Netze (105 cm) als letztes Mal (90 cm) verwendet haben? Zudem haben wir bei der dortigen Weide keinen Strom und deshalb ein Batterie-Gerät angehängt. Kann es sein, dass dieser Kasten einfach zu wenig Power für die hohen Netze in Kombination mit dem teilweise hohen Bewuchs hat?

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Manfred
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Re: Ursachen für geringe (keine) Leitfähigkeit

Beitrag von Manfred »

Die Höhe der Netze spielt da praktisch keine Rolle. Bewuchs und vor allem Nässe erhöhen die Ableitung massiv. Da kommen kleine Geräte schnell an ihre Grenzen.
Ein sehr häufiger Fehler, gerade bei mobilen Zäunen, ist auch eine unzureichende Erdung. Dann geht ein großer Teil der Ausgangsspannung und damit auch der Energie am zu großen elektrischen Widerstand zwischen Erdung und Boden verloren.
Bei guten Zaunverhältnissen (trocken, wenig Bewuchs) muss man einen künstlichen Kurzschluss am Zaun erzeugen, um das testen zu können.
Bei so hoher Ableitung wie in deinem Fall, hast du fast schon einen Kurzschluss und kannst es auch so ausprobieren:
Wenn du auf dem Erdstäben Strompulse spüren kannst (vorsichtshalber erst mal mit dem Messgerät oder einem Grasblatt dran, das sind gerne mal einige 1000 Volt drauf...) dann ist die Erdung zu schlecht. Dann brauchst du zusätzliche Erdstäbe.
Bei einer guten Erdung sind selbst bei Kurzschluss vom Zaun zum Boden (zum Test z.B. Metallpfahl einschlagen und Zaum drumwickeln, mögl. in einiger Entfernung zur Erdung) nicht mehr als 300 V auf der Erdung zu messen, bzw. von Hand keine Strompulse zu spüren.

Wenn die Erdung gut ist, dann hilft nur, den Bewuchs zu reduzieren, oder ein stärkeres Weidezaungerät.
Wenn bei mobilen Zäunen immer wieder die selben Koppeln genutzt werden, ist es eine Überlegung wert, dort eine gute Erdung fest einzubauen und zur Wiederverwendung drin zu lassen. Man sollte sie halt gut markieren, damit keiner eine Maschine dran kaputt fährt etc.
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Chrigula
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Re: Ursachen für geringe (keine) Leitfähigkeit

Beitrag von Chrigula »

Danke für deine Ausführungen Manfred und den Tipp mit dem Testen der Strompulse auf den Erdstäben! Das mit der Erdung ist uns eigentlich bewusst und da schauen wir auch drauf aber evtl. müssen wir die wirklich noch verbessern. Ich tippe allerdings auf die Kombi hoher Bewuchs / schwaches Batterie-Gerät. Zudem war die Wiese tatsächlich eher feucht, weil's die Woche geregnet hat und es bei den Temperaturen auch nicht wirklich trocknet.

(Noch eine Anfängerfrage am Rande: Müsste eine nasse Wiese nicht viel besser leiten? Oder verwechsle ich da was?)
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Manfred
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Re: Ursachen für geringe (keine) Leitfähigkeit

Beitrag von Manfred »

Ja. Dass ist besser leitet, ist ja in diesem Fall das Problem. Sie leitet den Strom vom Zaun weg in den Boden.
Bei einem gut isolierten Zaun, also ohne Bewuchs, ist die Nässe eher von Vorteil, weil der Widerstand vom Tier zum Boden geringer wird.

Damit Strom fließen kann, braucht es einen geschlossenen Stromkreis.
Der führt vom Gerät über den Zaun, vom Zaun durch den Bewuchs und anderen Isolationsmängel und über das berührende Tier in den Boden, durch den Boden in die Erdung und von der Erdung zurück ins Gerät.

Die vom Gerät abgegebene Leistung verteilt sich dabei auf die einzelnen Widerstände im Stromkreis.
Die unterschiedlichen Widerstände kannst du dir vorstellen wie unterschiedlich dicke Wasserleitungen.
Je dünner die Wasserleitung, desto mehr Anstrengung braucht es, um die gleiche Menge Wasser durchzupumpen.
Wenn du 10 m dicke Wasserleitung hast und dazwischen 1 m dünne Wasserleitung, dann wird der größte Teil der Leistung der Pumpe für diesen einen Meter dünne Wasserleitung verbraucht.

Beim Weidezaun hast du:
1) den Innenwiderstand des Weidezaungerätes (der ist für unsere Betrachtung vernachlässigbar klein)
2) den Widerstand des Zaundrahtes (ein dicker Stahldraht oder ein hochwertige Litze mit Kupferdraht + vielen dünnen Stahldrähtchen drin leitet den Strom viel besser eine billige Litze mit nur 2 oder 3 dünnen Stahldrähtchen). Eine dicke Wasserleitung oder viele dünne parallel haben weniger Widerstand als wenn das Wasser durch wenige dünne Leitungen muss.
3) den Widerstand vom Zaun zum Boden. Der setzt sich zusammen aus Ableitung durch Bewuchs, Isolationsschäden (defekte Isolatoren etc.) und dem Winderstand des zaunberührenden Tieres. Auch hier geht der Strom/das Wasser den einfachsten Weg. Wenn du viel nassen Bewuchs am Zaun hast, dann ist das wie eine ganz dicke Wasserleitung. Wenn du parallel dazu noch eine dünne Leitung (das berührende Tier) anbringst, dann läuft das meiste Wasser durch die dicke und nur wenig Wasser durch die dünne Leitung. D.h. je weniger Bewuchs und je besser die Isolation, desto mehr vom Strom muss durch das Tier um in den Boden zu gelangen.
4) Der Widerstand des Bodens (An dem können wir nicht viel ändern. In unserem Klima ist der aber meist OK. Auf extrem trockenen Sandböden in der Wüste oder bei oder Geröllhalden etc. ist der Bodenwiderstand manchmal so groß, dass das zum Problem für die Funktion des Zaunes wird)
5) Der Widerstand vom Boden zur Erdung. Hier ist es wichtig, dass genügend Kontaktfläche vorhanden ist. Je stärker das Gerät, desto mehr Erdstäbe braucht man. Wichtig ist auch eine ausreichende Feuchtigkeit des Bodens rund um die Erdung. Je trockener, desto geringer die Leitfähigkeit. Deshalb sind längere Erdstäbe, die bei Trockenheit noch feuchte Bodenschichten erreichen, manchmal von Vorteil.
6) Der Widerstand der Leitung von der Erdung zurück ins Gerät.

Also guter Zaundraht, gutes Erdkabel, gute Erdung, gute, verschraubte Kontakte. Das können wir beeinflussen und so in diesen Bereichen den Widerstand verringern (die Leitung dicker machen). Keine defekten Isolatoren, damit der Strom nicht über diesen Umweg in den Boden kann.
Wenn das alles OK ist, dann bleibt das Problem mit dem Bewuchs, der den Strom am Tier vorbei in den Boden leitet. Da kann man entweder den Bewuchs reduzieren, oder ein stärkeres Weidezaungerät verwenden. Da ist wieder wie bei einer Wasserpumpe. Wenn ich eine stärkere Pumpe verwende, dann ist mehr Druck auf der Leitung. Es fließt zwar immer noch der größte Teil (und mehr als vorher) durch die dicke Leitung (Bewuchs) aber auch durch die dünne Leitung parallel dazu (das Tier) wird dann mehr Wasser gedrückt. Und je mehr Strom/Wasser durch das Tier fließt und je höher der Wasserdruck (die elektrische Spannung) ist, desto Aua.
Die Leistungsfähigkeit der Pumpe wird im Fall des Weidezaungerätes in Joule (eine Einheit für die Energiemenge) gemessen.
Je mehr Joule, desto größer ist die Strommenge, die das Gerät pro Puls durch die Leitung drücken kann.
Interessant ist dabei nicht die Ladeenergie des Gerätes (die sagt nur aus, wie viel elektrische Energie das Gerät speichern kann) sondern die Impulsenergie, das ist die Energiemenge, die das Gerät wirklich an den Zaun abgeben kann.
Seriöse Anbieter geben idR die Impulsenergie oder beide Werte an.
Weniger seriöse Anbieter geben oft nur die Ladeenergie an, weil dieser Wert größer ist und sich nach mehr anhört.
Einen gewissen Einfluss hat auch die From des elektrischen Impulses, den das Gerät abgibt. Hochwertige Geräte haben idR eine gute Pulsformung, wo der Großteil der Energie in der ersten, entscheidenden Halbwelle des Pulses steckt und nur wenig für Nachschwingungen verbraten wird. Bei schlechten Geräten steckt manchmal ein merklicher Teil der Energie in weitgehend wirkungslosen Nachschwingungen. Daran (und an der Pulsdauer) kann es liegen, dass zwei unterschiedliche Geräte nominell gleicher Leistung am selben Zaun unterschiedlich stark spürbare Impulse erzeugen.
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Re: Ursachen für geringe (keine) Leitfähigkeit

Beitrag von SchnuckenschäferROW »

Das was Manfred da so treffend und ausführlich beschrieben hat, baue ich jedesmal beim Herdenschutzseminar beim Zaunbau als Fehler ein, bzw. machen die Teilnehmer diese Fehler ganz von alleine.
Am Schluss, wenn die Elektrik eingeschaltet wird, sind sie dann immer ganz verblüfft, wie viele tausend Volt Unterschied es macht, wenn diese behoben sind. Je nach Witterung, Boden und Bewuchs kommen da schonmal bis zu 5.000/6.000V zusammen. Alleine pro Erdungspfahl macht es schnell mal tausend Volt aus.
Gerade jetzt in der nassen Jahreszeit ist möglichst wenig Bewuchs besonders wichtig. Binsen, Pfeifengras und anderer Bewuchs, der sich nicht platt treten lässt muss unbedingt weg. Wir mähen auch nicht überall vorher aus, aber dort wo man Spuren fahren kann, dreht man halt ein paar Runden. Pfuschen, Schusseligkeiten, Bequemlichkeit und Fehler werden aus den unterschiedlichsten Gründen immer bestraft. Dann lieber mit Helmlampe länger machen, bis alles klar ist. Die Zeiten, in der die Weide selbst der beste Zaun war, ist vorbei. Wenn etwas in die Hose geht und man dir nachweisen kann, dass du deine Arbeit nicht ordentlich gemacht hast, hast du ein echtes Problem (Versicherungsschutz, Rechtschutz etc.).
Also, alleine in deinem eigenen Interesse solltest du schon lieber abends eine Stunde länger arbeiten und die Herde bestmöglich gesichert hinterlassen. Und falls du eines Tages im Wolfsgebiet bist, vor allem auch im Interesse deiner Tiere...
Seelig sind die Bekloppten, denn sie brauchen keinen Hammer!
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Re: Ursachen für geringe (keine) Leitfähigkeit

Beitrag von Sasdi »

Sind Blitzableiter gute Erdungen? Ich habe meine Schafe auf alten LPG-Flächen mit alten Stall- und Wirtschaftsgebäuden. Dort habe ich Hausstrom für das Netzgerät und schließe die Erdung einfach an den nächsten Blitzableiter an. Ich habe so die Vorstellung, dass der gut erdet, da das ja schließlich der Sinn und Zweck eines Blitzableiters ist. Allerdings ist wahrscheinlich mein Gerät hinüber, wenn wirklich mal ein Blitz einschlägt. Zum Glück haben wir hier ziemlich selten Gewitter.

LG Saskia
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Re: Ursachen für geringe (keine) Leitfähigkeit

Beitrag von Manfred »

Ganz gefährlich!
Von der Norm (VDE0131/DIN57131) her muss in so einem Fall die Zuleitung vom Zaun zum Gerät mit einer Blitzschutzeinrichtung versehen und die Erdung dieser Blitzschutzeinrichtung durch eine zugelassene Fachfirma für Blitzschutzanlagen mit der Blitzschutzanlage des Gebäudes verbunden werden. Alles andere kann im Versicherungsfall (z.B. Brand oder Überspannungsschaden nach Blitzeinschlag in den Zaun) nach hinten losgehen.
Ansonsten ist zwischen einer Gebäudeerdung und der Erdung des Weidezaungerätes ein Mindestabstand von 10 m einzuhalten, um im Falle eines Blitzeinschlags in den Zaun Überspannungsschäden am Gebäude zu vermeiden.

Das Weidezaungerät nie selbst an irgendwelche vorhandenen Gebäude- oder Hochspannungsmasten- oder Sonstwas-Erdungen anschließen.

Wird das Weidezaungerät in einem Gebäude installiert, dann muss eine Blitzschutzeinrichtung in die Zaunzuleitung.
Hat das betreffende Gebäude selbst eine Blitzschutzanlage, dann müssen die Blitzschutzanlagen von Gebäude und Gerät durch eine Fachfirma verbunden werden.

In den meisten Fällen ist es deshalb einfacher, das Gerät außen zu installieren und die 10 m Mindestabstand zwischen den Erdungen einzuhalten. Eine Blitzschutzeinrichtung in der Zaunzuleitung ist trotzdem von Vorteil, weil sie das Risiko von Brandschäden reduziert.
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