Künstliche Besamung

Stockmann
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Re: Künstliche Besamung

Beitrag von Stockmann »

Danke. Jetzt verstehe ich dass KB bei unseren Strukturen mit vergleichsweise kleinen Herden, an Grenzen stößt. Trifft das auch für Embryotransfer zu?
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seb
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Re: Künstliche Besamung

Beitrag von seb »

ET ist in Deutschland noch kein Thema. Es ist schon gemacht worden, um bei Rassen wie Dorper neue Genetik zu importieren. Aber bei den doch allgemein sehr bescheidenen Zuchttierpreisen ist das keine wirtschaftliche Option. Wenn du siehst, was Spitzenböcke im UK http://texel.co.uk/node/72 bringen, dann wird klar, warum da auch in Embryotransfer investiert wird.
Stockmann
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Re: Künstliche Besamung

Beitrag von Stockmann »

Gibt es denn einen Platz oder eine Platform auf der Schafs-Embryonen gehandelt werden so wie das bei Rindern und zunehmend auch bei Top-Pferden zunehmend beliebter wird? Ich meine, es muss in dem verlinkten Beispiel ja mehr als einen Bieter gegeben haben, die einen wirtschaftlichen Sinn darin sehen soviel Geld für Top-Genetik auszugeben. Wer aber gerade keine 231.000 engl. Pfund klein hat, für den könnte doch ein Embryo, möglichst gesext, interessant sein?
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seb
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Re: Künstliche Besamung

Beitrag von seb »

Der Markt ist da deutlich kleiner als bei Rindern. Ob es eine Plattform im englischsprachigen Raum gibt weiß ich nicht. Das wirdst du aber über britische Züchter oder Zuchtverbände erfahren können. Wenn du da ernsthaft interessiert bist, kannst du ja mal bei der NSA anfragen (ist nicht das, was man vielleicht denkt) http://www.nationalsheep.org.uk/
die Schwarze
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Re: Künstliche Besamung

Beitrag von die Schwarze »

Sorry, bin jetzt erst auf das Thema gestoßen ... und es haut mich schon ein bisschen aus den Socken, dass das Rad wieder neu erfunden werden soll.
Ich habe in der DDR Schäferin gelernt und das war "KBO", die künstliche Besamung beim Schaf, Bestandteil meiner Ausbildung.
Ohne diesen Berechtigungsschein gab es keinen Gesellenbrief!
Wir hatten große Herden und Herdbuchzucht, so dass eine natürliche Besamung nur für "harte Sonderfälle" (Umbocker) in Frage kam.
Normalerweise wurden morgens und abends Suchböcke "mit Schürzchen" in die Buchten gelassen.
Die dann willig schwänzelnde Damenwelt wurde heraussortiert und dann auf einem Besamungsstand versorgt.
Wir hatten selbst eine Bockstation, aus der Sperma gewonnen wurde bzw. haben auch aus anderen Betrieben Material bezogen bzw. getauscht.
Mit H-Milch wurde gestreckt und dann portioniert.
Ohrmarken wurden den Schafen damals nicht eingezogen, sondern zur Dokumentation die Nummer per Zange ins Ohr tätowiert.
Also erst das Ohr mit der Farbe eingestrichen und durch den Zangendruck diese in die Haut verbracht.
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Henry
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Re: Künstliche Besamung

Beitrag von Henry »

Hallo Schwarze,

ich bin seit längerem dran an der Besamung und kann nur deren Niedergang dokumentieren. Es gibt nur noch 3 zugelassene Besamungsstationen in Deutschland (die Vet.-Unis Leipzig, Giessen?, Hannover) und nur Ganter in Hannover macht überhaupt etwas - mit gerade mäßigem Erfolg und sehr teuer. Die, die es konnten, sind nicht nur längst in Rente, sie haben auch keine Equipment mehr und zittern oder können nicht mehr ans Schaf. Das Wissen und Können stirbt mit ihnen oder ist schon gestorben. Dabei war die DDR führend in der Welt mit ihrer Besamung. Ein Anschluß an diese Entwicklung in der DDR ist nicht mehr möglich. Nur intravaginale Frischversamung wird noch gemacht und ist nur innerhalb der Herden ohne Hormonsyncronisation erlaubt. UK, China und die Russen sind davongezogen und bieten laparoskopische AI recht preiswert, vor allem aber mit Akzeptanzqouten über 90% an.

In UK wird bei Besamungsgängen in der Station pauschal abgerechnet Beispiel:
Artificial insemination (Laparoscopic)
5 £20
5-10 £15
11-20 £12
21-40 £10
41-70 £9
71-100 £8
100+ £7

Die Laparoskopische Besamung braucht wegen der notwendigen Narkose immer einen TA um legal durchgeführt zu werden. Dem allerdings fällt dann das Tierzuchtrecht auf die Füße, auch wenn jemand - der es kann - die eigentliche Besamung vornimmt. Samengewinnung-Zuchttierstation-Zulassung ...
Deshalb arbeite ich seit Jahre schon daran (entgegen aller auf alter, starrer Technik basierender Aussagen) transcervical zu besamen. Dabei handelt es sich um keinen narkosepflichtigen Eingriff. Die Cervix wird flexibel endoskopisch überwunden und per Arbeitskanal wird tief intrauterin eine Minimalmenge Sperma niedrigster Qualitätsanforderung platziert. Leider löst die Uni Leipzig gerade ihre Geburtshilfeklinik auf und strukturiert sich völlig um, so daß deren Unterstützung auch wegfällt. Sogar die Mitarbeiter verlassen den Standort. Dort endet folglich auch die Zulassung für's Absamen von Schafen und die Bürokratie verbaut jeden sauberen offiziellen Weg. :schreck:

Es ist Selbsthilfe angesagt. Wenn Du etwas beitragen möchtest, melde Dich bitte per PN. Ich würde mich sehr freuen. :love:
Henry
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Re: Künstliche Besamung

Beitrag von alpenblümchen »

Henri@ wenn ich dich richtig verstanden habe, hast du praktische erfahrungen beim besamen von schafen durch die vagina mit frischem samen(nicht gefrorenem samen). hast du erfahrung mit der methode über befruchtungsergebnisse beim besamen mit gefrorenem samen. könnten auch embrionen auf diese art erfolgreich verpflanzt werden?
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Re: Künstliche Besamung

Beitrag von Annegret »

Hi,

das Schaf hat eine relativ kurze Tragzeit, damit ist Zuchtfortschritt in relativ kurzer Zeit zu erreichen.
Schafböcke sind kleiner und damit transportabler als Bullen und Hengste.
Im Gegensatz zu Hengsten und Bullen sind Schafböcke bedeutend einfacher in der Handhabung.
Die Aufzucht und Haltung von Zuchböcken ist bedeutend billiger als bei Rind und Pferd.
Der Bedarf an Wallachen als Reittier übersteigt die Remontierungsrate an Zuchtböcken, daher
sind vermutlich genügend Böcke im Umlauf, die zur Zucht herangezogen werden können. Bei
mir werden zumindest viele genetisch wertvolle Bocklämmer geschlachtet.

Daher scheint mir in Deutschland kaum Bedarf an "Zuchtfortschritt" durch KB zu bestehen.

Vom ethischen Standpunkt aus sollten wir uns überlegen, ob Zuchtfortschritt, im Sinne von Selektion
auf Optimierung von Einzelleistungen wie Milch- oder Fleischleistung wirklich wünschenswert ist.

Bei der Rinder- und Hühnerzucht zumindest sind die klassischen Mehrnutzungsrassen nahezu
ausgestorben oder in wenigen Arche-Betrieben in nicht nennenswerter Anzahl vorhanden. Ich
erinnere an das schwäbisch-hällsche Schwein, das Hinter- und Vorderwälderrind.
Wollen wir wirklich magere Hochleistungs Milchschafe/ziegen am Rande der Pansenazidose oder evtl.
kreislauflabile Fleischschafe mit evtl. Klauen- oder anderen orthopädischen Problemen, die dann
aussehen wie Mastschweine in Schafwolle verpackt?
Für Futtemittelindustrie und Tierärzteschaft sicherlich ein neues Betätigungsfeld.

Wenn die KB beim Schaf in Deutschland Einzug hält, sollten wir dafür Sorge tragen, dass die bislang
bestehenden Rassen unverändert in ausreichender Population als Genpool erhalten bleiben und nicht
die Fehler bei der Rinder- Schweine und Hühnerzucht wiederholt werden.

Grundsätzlich bin ich dafür bürokratische Hindernisse abzubauen und die KB beim Schaf in Deutschland
jedem Züchter relativ barrierefrei zu ermöglichen so dass jeder nach seiner Fasson glücklich werden
kann. Es kann ja bei der KB auch durchaus was Gutes herauskommen. Evolution funktioniert immer in
alle Richtungen.

Gruß

Annegret
die Schwarze
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Re: Künstliche Besamung

Beitrag von die Schwarze »

Hallo Annegret,

in der DDR wurde die künstliche Besamung beim Schaf dazu genutzt, aus dem vorhandenen Genpool heraus, leistungsstarke Lämmer für den Export zu erzeugen.... und das in sehr großer Zahl.
Die Lämmis gingen nach Frankreich sowie in die damalige BRD und bedeuteten "harte Devisen" für das Land. Die Größenordnungen, in denen exportiert wurde, das wäre mit einer "natürlichen Befruchtung" niemals zu erreichen gewesen.
Es ging also vordergründig nicht darum, nur die "eierlegende Wollmilchsau" :) zu erfinden, sondern das Sperma der Hochleistungsböcke auf viele hochwertige Muttertiere zu verteilen.
Mein Ausbildungsbetrieb z. Bsp. hatte mehrere Herden von ca. 500-1000 Tieren. In dieser Größenordnung sind wir dann auch hüten gegangen.
Ein Koppelbetrieb, so wie es jetzt vorwiegend praktiziert wird, den gab es nicht. Nur die abgesetzten Lämmer kamen auf die Wiese in einen E-Zaun.

Aber @ Annegret, Du hast völlig Recht, wir Menschen sollten aus den Fehlern der Vergangenheit, was die Zucht & Selektion bei Tieren betrifft, endlich lernen! Egal, ob im Nutztierbereich oder bei Hunden und Katzen. Es ist eine Schande, was dort alles angestellt wurde....
Ich kann mich erinnern, dass mit der teilweisen Einkreuzung von russischen Stawropol bei unseren Merinos eine erhöhte Wollleistung erreicht werden sollte.
Leider sind dann auch teilweise bei den Einkreuzungen die Augen mit Wolle zugewachsen.
Oder die Haut bildete Falten aus, weil irgendein Theoretiker dachte, viel Haut = viel Wolle = PRIMA! :huepf: Die Qualen und Verletzungen die diese Tiere dann aber bei der Schur erleben mussten, schlimm.....

Die Schafhaltung ist hier im Osten, verglichen an den Herdenstärken der DDR, nun in der Bedeutungslosigkeit verschwunden.
Und wenn ich dann in den Fleischtruhen oder Restaurants beworben werde, mit exportiertem Fleisch aus Neuseeland oder anderswo,
das macht mich sehr traurig, extrem wütend und verstehe ich nicht.....
Es ist in meinen Augen schizophren, Lebensmittel um die halbe Welt zu karren, wenn man sie auch hier erzeugen könnte und kann!
Jetzt werden Felder nach der Ernte sofort umgebrochen. Welche Verschwendung für Schäfer, die wissen, welches Potential zum Beispiel darin liegt.
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Henry
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Re: Künstliche Besamung

Beitrag von Henry »

Für KB sprechen auch einige Punkte, die durchaus auch aufs Tierwohl zielen:
1. werden Infektionen vom Schaf auf den Bock verhindert und in der Folge vom Bock auf's nächste Schaf.
2. werden Infektionen durch den Wegfall von Transporten zwischen Schäfereien verhindert.
3. sind Böcke früher und auf mehr Schafen nutzbar.
4. sind Böcke länger nutzbar.
5. sind Zuchttiere in Form von Samen über weite Strecken transportierbar und müssen nicht tatsächlich transportiert werden.

Die Punkte haben noch nichts mit Zuchtfortschritt zu tun. Es geht rein um die Befruchtung einer großen Anzahl Muttertiere mit einem konkreten Bock. Der kann halt nicht gleichzeitig in vielen Herden decken. Und es geht auch um die Kosten. Ein Zuchtbock soll vielleicht für kein Geld der Welt verkauft werden oder ein Interessent könnte den nicht bezahlen oder nicht halten. Da wäre es Klasse, er müßte nur den Samen kaufen und versamen lassen. Zu den Preisen von oben, sind 10 Mutterschafe 10 Jahre lang trächtig zu kriegen von einem Bock, den man für das Geld nicht erwerben kann und dessen Röhrchen 100£ kostet. Wer aber will gleich 35.000£ plus Haltungskosten ausgeben, wenn er eben nur 10 Schafe hat?
Henry
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