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Lippengrind

Verfasst: Do 16. Nov 2023, 19:41
von KABA
Bei mir hat eine kleine Gruppe weiblicher Altschafe mehr oder weniger stark Lippengrind bekommen. Ich hatte das noch nie im Bestand und frage mich nun natürlich, wo das jetzt herkommt.
Diese 6 Schafe hatten im Frühjahr Lämmer, die sind längst abgesetzt, die Muttern waren Mitte Oktober auf eine sonst erst einmal im letzten Jahr genutzte Fläche gekommen. TA hatte erst den Verdacht, dass es eine allergische Reaktion auf irgendwas gefressenes sein könnte, es sind aber keine entsprechenden Pflanzen zu finden gewesen.
Ein Schaf (mit dem stärksten Befall) hat die ganze rechte Seite des Maules mit krustigen Blasen voll, links ist/war es weniger stark, bei den anderen sind es entweder nur kleine Krusten im Mundwinkel oder/und leicht schorfige bzw. frisch blutige Stellen auf der Nase, teilweise nur erbsen- oder kirschkernklein. die letzte hat gar nichts erkennbares. Sie haben AB bekommen, das scheint zu wirken. Allgemeinbefinden in keinster Weise auffällig, auch Fressen ohne Probleme, obwohl dann natürlich frisches Blut zu sehen ist, wenn der Schorf abgeht.
Sie sind inzwischen nicht mehr auf der neuen Weide (zu der ich immer ca. 15km hätte hinfahren müssen - Nachbarn hatten sich aber um Wasser und co. gekümmert), sondern hier in der Nähe auf einer Quarantänefläche.
Wo und wie können sich erwachsene Tiere mit dem Virus anstecken? Auf der Nachbarweide waren mal Rinder, es gab einen doppelten Zaun - Stacheldraht bei den Rindern, E-Netz bei den Schafen, also kein direkter Kontakt Rind - Schaf. Die Fläche war nach wochenlangem Regen deutlich nass - das Virus liebt trockene Wärme!
Folgende Fragen: kann/soll ich die Tiere noch irgendwie anders behandeln (sie sind nicht tragend)? wie lange sind sie infektiös? Wie lange ist die Weide kontaminiert? Ist sonst irgendwas zu beachten?

Re: Lippengrind

Verfasst: Do 16. Nov 2023, 21:35
von HollyMolly
Ich hab das dieses Jahr auch durchgemacht und rätsel immer noch, wo die sich plötzlich angesteckt haben könnten...
Meine Tiere wurden gar nicht behandelt, da ihr Allgemeinzustand trotzdem sehr gut war und alle normal fressen konnten. Bei mir waren auch Lämmer betroffen. Die Tiere haben es auf jeden Fall deutlich besser weggesteckt als ich, nach 2 Wochen war überhaupt nichts mehr zu sehen.
Ich kann dir nur raten, zieh Handschuhe im Umgang mit den Tieren an und wasche und desinfizier anschließend deine Hände. Ich hab mich leider angesteckt, ist inzwischen 3 Monate her und ich hab immer noch was davon. :neutral:

Re: Lippengrind

Verfasst: Do 16. Nov 2023, 22:13
von frauke
Lippengrind wird nicht nur von Tier zu Tier übertragen.

Besuch kann es Dir auch mitbringen. Wenn Schermaschinen und Klauenscheren nicht desinfiziert sind, können sie es auch noch längere Zeit übertragen.

Mir ist ein Fall bekannt, wo die Hütehunde es bei einem Wettbewerb übertragen haben.

Man kann froh sein, wenn die Krankheit zu einer Zeit ausbricht, wenn keine kleinen Lämmer da sind. Die Immunität hält einige Jahre und im kommenden Jahr sieht man bei den kleinen Lämmer meist nur einige kleine Pusteln. Dies ist dann wie eine Impfung.

Wie Kaba schon schrieb, kannst Du Dich auch selbst anstecken. Besuche jetzt besser keine anderen Schafhalter.

Achte bitte darauf, dass die befallenen Schafe ausreichend trinken und nicht nur den Kopf in den Eimer stecken um die Schnauze zu kühlen.

Ich habe diese Tiere immer mit einer Eingebespritze getränkt, aufs Futter können sie einige Zeit verzichten.

Re: Lippengrind

Verfasst: Fr 17. Nov 2023, 00:05
von peter e.
Ist denn gesichert, dass es sich tatsächlich um das Herpes-Virus handelt (Parapoxvirus ovis), dass den Lippengrind auslöst? Du wirst dich sicherlich schon bei den entsprechenden Informationsmöglichkeiten kundig gemacht haben.
Hat dein Mann in letzter Zeit was von der Jagd mitgebracht? Übertragungswege gibt es viele, und Herpes beim Menschen ist zur jetzigen Zeit auch nichts unbekanntes. Aufpassen, dass der hintere Maulbereich nicht betroffen wird. Ich hatte mir Kaliumpermanganat aufgelöst und in einer Spraydose gefüllt, um dann auf die betroffenen Stellen zu sprayen. Auch einfetten hilft ein wenig. Sei froh, dass keine Lämmer betroffen sind: das bedienen der Zitzen tut weh.
Empfehle Artikel der Stiko-FLI und wikipedia.
Ausbruch kann immer wieder kommen, insbesondere bei Stress (fremde Tiere kommen neu dazu, Umstellung auf neues Gelände, Transport etc.) Tiere entwickeln - obwohl das immer wieder behauptet wird - KEINE Immunität!
Gutes gelingen.

Re: Lippengrind

Verfasst: Fr 17. Nov 2023, 09:09
von Henry
Obwohl immer wieder behauptet wird, die Tiere entwickelten keine Immunität, ist das Gegenteil der Fall. :oberlehrer: :klug:

Echtybel und Scabivax sind Impfstoffe, deren Wirkung gerade auf der Immunreaktion beruht und die ganz ordentlich wirken. Leider hält diese Wirkung nur nicht ewig in voller Ausprägung an. Da aber in Herden mit Orf das Virus zirkuliert, wird es immer wieder zur Anregung der Immunsysteme der einzelnen Schafe kommen. Nur die Erstkontakte sind dann (ungeimpft) relativ drastisch. Später fliegt die Erkrankung häufig komplett unter dem Radar und paar Pusteln hier und da weden beschwerdefrei übersehen oder ignoriert.

Blöderweise ist Orf nicht gleich Orf. Scheinbar mutiert das Virus schnell oder es kursieren sehr viele Stämme. Es ist also durchaus zu beobachten, daß beim Kontakt von Herden der Orf sowohl bei der einen als auch bei der anderen ausbricht.

Als Behandlung wirkt zielführend nichts. Es gibt schlicht kein Medikament gegen die Viren. Man muß sich auf die Vermeidung von bakteriellen Sekundärinfektionen und funktionalen Beeinträchtigungen beschränken.

Ich habe gute Erfahrungen mit dem Abtupfen der Lippen, Zitzen, Lidränder, Kronsäume mit Sterilium (Isopropanol) und mit Einpinseln mit jodhaltigem Zitzendipp gemacht. Fett weicht Krusten auf. Melkfett zum Beispiel. Trocknende Salben mit Zinkoxid etc. nützen nix. Blauspray (OTC) verhindert die Sekundärbesiedelung. Sonne aber auch.

Re: Lippengrind

Verfasst: Mo 20. Nov 2023, 06:33
von moony
Lippengrind düat so lang wie et düat, da hilft nichts so richtig.

Ich hatte mir Lippengrind damals über Zukauf in die Herde gebracht. Die Jahre vorher gab es immer nur kleine stipper auf der Nase bei meinem Tieren, gerade so, dass es (fast!) Nicht auffällt. Bei den meisten Alttieren auch gar nichts.
Dieses Jahr bei den Lämmern im Herbst heftigste Ausbruch der den beiden kleinsten das Fressen unmöglich gemacht hat. Die haben sich bei mir eine Zeit lang quasi nur von Crystalyx und Laub ernährt. Nun ist's rückstandslos verheilt.

Häufig "schläft" das Virus in Herden, aber nicht auf ewig. Sind die Tiere innerlich (das muss nicht von außen sichtbar sein) ggf. Durch etwas schon geschwächt, kann es zu einem stärkeren Ausbruch kommen. Im Falle meiner Herde ist das z.B. der andauernde Regen und relativ viele Disteln auf der Ursprungsfläche, denke ich. Infektiös sind isb. Die Krusten. Dh. Wenn alle Krusten/offenen Stellen weg sind, dann kann man sich selbst nicht mehr infizieren. Andere Tiere sind vermutlich bereits Träger -wenn sie es nicht immer schön gewesen sind- auch dort sehe ich keine Notwendigkeit etwas zu behandeln, für das es keine Behandlung gibt.

Eine Quarantänefläche brauchst du nicht. Das Virus ist da und überlebt sehr lange in der Umwelt. Antibiose sehe ich keine Notwendigkeit, wenn keine Läsionen Sekundärinfektionen aufweisen. Antibiotika helfen gegen Viren nicht. Manchmal munkelt man, dass Levamisol helfen soll, war bei meinen Lämmern allerdings auch nicht der Fall, da hat nur die Zeit geholfen.

Vorsicht beim Handling mit den Tieren (Handschuhe und Handdesinfektion), isb. Wenn die was zum Schubbern auf der Weide haben. Die Krusten jucken und die Tiere versuchen meist, sich diese abzureiben. Dadurch verteilen sie es noch weiter. Dem kann man m.M.n. nicht entgegenwirken. Mensch kann sich das auch einfangen und es äußert sich in Entzündungen, meist an der Hand, da dort die Eintrittsstelle ist.

Re: Lippengrind

Verfasst: Di 28. Nov 2023, 20:49
von KABA
Nun ist bei den Mädels fast nichts mehr zu sehen, und jetzt hat plötzlich die Bockgruppe, die mehrere Kilometer entfernt steht, den Befall :o:
Es hat keinerlei Veränderungen gegeben, die Gruppe steht so schon seit Monaten auf dieser Fläche (wird in Parzellen unterteilt), sie haben keinen Stress (meine Schafe sowieso nicht, die sind da sehr unempfindlich ;) ), es gab keine neuen Tiere - nichts anders als sonst.
Erstaunlicherweise hat es mehr die Altböcke erwischt als die jungen, wobei gerade die recht murkelig sind in diesem Jahr - sie kommen schwer mit dem ewigen Regen zurecht, den wir seit August fast täglich haben (im Oktober z.B. nur 4 oder 5 Tage ohne Regen!).
Eigentlich sollte einer der befallenen Böcke noch decken - wie lange sollte ich damit warten?

Re: Lippengrind

Verfasst: Di 28. Nov 2023, 21:29
von Henry
Gar nicht.

Lippengrind hält kein Schäfer auf.

Re: Lippengrind

Verfasst: Di 28. Nov 2023, 21:53
von KABA
Na ja - die zu deckenden Schafe sollten verkauft werden. Das mag ich so aber nicht tun... :traurig: :gruebel:

Re: Lippengrind

Verfasst: Di 28. Nov 2023, 22:09
von Henry
Inkubationszeit ist bei Orf wegen der verdeckten Verbreitung unbestimmt.

Denk‘ doch mal an Windpocken.