Lippengrind

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Ayleen
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Registriert: Do 16. Feb 2023, 21:45

Lippengrind

Beitrag von Ayleen »

Hallo!
Ich platze als neues Mitglied direkt mal mit der Tür ins Haus und hoffe auf Verständnis..
ich besitze eine kleine Herde von 4 Exemplaren.
Die 4. Aue habe ich vor 12 Tagen dazugekauft. Leider brach danach Lippengrind aus und ich habe nun diesbezüglich Fragen:
- der Lippengrind besiedelt bei einer Aue auch die Seite der Zunge. Man liest im Internet das nur die bösartige Form das tun würde und diese zu 100% tödlich sei.. ist bei der unbedenklicheren Form wirklich keine Zunge involviert?
- mein zweites noch dringenderes Problem: wir haben eine Bockgemeinschaft und der gute soll nach diesem Akt eigentlich zum Schlachter (sehr bald), hält sich das Virus im Fleisch?!
- wenn die Tiere die Krankheit überwunden haben, sind die dann zwangsläufig ansteckend für andere? Auch nach Ende der Krankheit?

Danke! Ich hoffe diese Form meine Frage zu stellen ist in Ordnung und verständlich!

LG
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Henry
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Re: Lippengrind

Beitrag von Henry »

Erfahrung nach Jahren mit Lippengrind/Orf/Scabi …
Der Lippengrind selbst ist zumindest anfangs schmerzhaft und - jenachdem wo er aufblüht - funktionseinschränkend. Schlimm sind also Blüten am Euter, Strichen, Zahnfleisch der Lippen, Lidränder (Tränenfilm), Anal- und Perianalgegend (Fortpflanzung), Klauenspalt und im Schlund. Zum Glück ist der Ausbruch an solchen funktionseinschränkenden Stellen selten.

Erstinfizierte Tiere reagieren besonders stark. Erneut oder mit einem nicht ganz identischen Virus infizierte Tiere reagieren eher belanglos und reduziert, wobei auch da die einzelne Blüte an Lidrand oder im Klauenspalt Probleme machen kann.

Ein Therapie während der Blüte ist sinnlos. Weder abtrocknende noch fettige Salben, noch Lebertran oder Joddip helfen wirklich oder gar schnell. Die Blüten selbst sind schmerzunempfindlich, weil das Virus Nervengewebe zerstört. Deshalb ist das mehrfache satte Betupfen mit Isipropylalkohol Sterilium etc. sehr gut gegen riechbare Sekundärinfektion und gegen die virale Übertragung abwendbar. Blüten am Zahnkranz der Lämmer sollten abgerissen oder per Elektrochirurgie entfernt werden, wenn die Zahnentwicklung oder das Saugen behindert ist.
Bei Blüten am Lidrand ist tägl. mehrfach eine corneaschützende Augensalbe einzubringen. Corneregel oder besser noch OTC-Augensalbe.

Die Durchseuchung der Herde ist nach einem Ausbruch nicht ganz aber doch fast vollständig. Nur immunsuprimierte Tiere zeigen dann etwa 1 Jahr später erneut Blüten. Im Ausbruch erfolgt die Infektion durch Kontakt mit den Viren aus den Blüten und dem Blut der Verletzungen in ihrer Nähe. Erfahrungsgemäß läßt sie sich nicht aufhalten. Tränkeflaschen sind brutale Überträger. Findet sich Blut am Sauger steht der Ausbruch unmittelbar bevor. Das wäre die letzte Chance mit Scabivax oder Echtybel zu impfen.

Am Menschen ist die Infektion lästig und verläuft spektakulär. Juckende Pusteln, dann Blasen und später offene nässende Wunden sind vor Sekundärinfektionen zu schützen. (Hier kann man sich von der Schmerzunempfindlichkeit überzeugen) Es ist nicht möglich bei täglichem Kontakt zu Schafen uninfiziert durchs Leben zu kommen. Das ist wie Windpoken. Irgendwann kriegt man sie und hat dann weitgehend Ruhe. Ich würde es jedoch vermeiden, nach Kontakt mit akut blühenden oder blutenden Tieren mich selbst (oder andere) an Schleimhäuten oder gar im Intimbereich auch nur zu berühren. Auch die Erstinfektion an Auge soll unbedingt vermieden werden. Gründliche Handdesinfektion ist wirklich wichtig. Kennt man ja vonne Corona …
Henry
der
Schafschützer
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