Berufsschäfer, Schäferei im Zuerwerb

Stockmann
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Re: Berufsschäfer, Schäferei im Zuerwerb

Beitrag von Stockmann »

Manfred hat geschrieben: So 11. Apr 2021, 22:21
Stockmann hat geschrieben: So 11. Apr 2021, 11:51 Eine, oft die entscheidende Position fehlt m.E. in dieser Betrachtung, jedenfalls dann, wenn ein Betrieb über Eigenland verfügt: Die, gerade in den letzten Jahren enorme Wertsteigerung des Bodens kann aus den rechnerischen Verlusten durchaus beeindruckende Kapitalzuwächse machen.
Dazu braucht man die Flächen ja nicht selbst zu bewirtschaften.
In der Landwirtschaft hat es sich eingebürgert, bei der Vollkostenrechnung das Bodeneigentum getrennt vom restlichen Betriebskapital als eigene Anlageklasse zu betrachten, auch um verschiedene Betriebe vergleichbarer zu machen.
Für die betrieblichen Belange rechnet man dann mit einem ortsüblichen Pachtzins für diese Flächen.
Dafür wird betrieblich kein Zinsanspruch für das in den Flächen gebundene Eigenkapital angesetzt.

Der Gewinn oder Verlust aus der Bodeninvestition errechnet sich dann natürlich irgendwann mal aus den Anschaffungskosten, den fiktiven oder realen Pachteinnahmen, anfallenden Kosten und dem Verkaufserlös.

Aber dass jemand einen Acker nahe einer Großstadt erbt und später als Bauland verkauft, kann man ja nicht wirklich als landwirtschaftliche Tätigkeit einstufen.
Auch die Preise rein landwirtschaftlich genutzter Grundstücken werden von verschiedensten Faktoren beeinflusst, die teilweise wenig bis gar nichts mit der landwirtschaftlichen Tätigkeit zu tun haben.
Aber wie man intern die Wirtschaftlichkeit seines Betriebs kalkuliert, bleibt natürlich jedem selbst überlassen.
Die Betrachtung, Bodenwertsteigerungen nicht zu berücksichtigen weil sie nicht der eigentlichen landwirtschaftlichen Tätigkeit entspricht, finde ich ziemlich willkürlich. Was entspricht der landiwrtschaftlichen Tätigkeit was nicht? Die Nutzung als PV-Standort? Wie sind die Mieteinnahmen für diese Fläche zu betrachten, wie evtl. Deckungsbeiträge aus der pflegenden Schafhaltung? Sind die Einnahmen aus der Zurverfügungstellung von Flächen für Natuschutzmaßnahmen (Blühstreifen etc.) als landwirtschaftliche Einnahmen zu betrachten?
Fleisch ist ein Stück Lebenskraft.

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Re: Berufsschäfer, Schäferei im Zuerwerb

Beitrag von moony »

Stockmann hat geschrieben: Mo 12. Apr 2021, 10:31 Die Betrachtung, Bodenwertsteigerungen nicht zu berücksichtigen weil sie nicht der eigentlichen landwirtschaftlichen Tätigkeit entspricht, finde ich ziemlich willkürlich. Was entspricht der landiwrtschaftlichen Tätigkeit was nicht? Alles, was durch den §201 BauGB abgedeckt ist. Die Nutzung als PV-Standort? Nein. Wie sind die Mieteinnahmen für diese Fläche zu betrachten, wie evtl. Deckungsbeiträge aus der pflegenden Schafhaltung? Zur Verfügung Stellen der Fläche für PV Anlagen nein, dh. Mieteinnahmen nicht; Gewinnerwirtschaftung durch grasende Schafe ja, s. §201 BauGB Sind die Einnahmen aus der Zurverfügungstellung von Flächen für Natuschutzmaßnahmen (Blühstreifen etc.) als landwirtschaftliche Einnahmen zu betrachten? ja und nein. Sind sie direkt mit der Landwirtschaft verknüpft, dh. Blühstreifen am Feldrand oder Beweidung von Naturschutzfläche, dann ja. Findet keine Landwirtschaftliche Nutzung statt, dann nein , siehe EU-Gerichtshof-Urteil Rs. C-61/09: Eine Schäferin bewirtschaftet Naturschutzflächen, die vorrangig eben dem Naturschutz dienen. Da sie auf diesen Flächen mäht und sie abhütet, haben die Flächen jedoch einen Landwirtschaftlichen Nutzen, sie kann dafür Basiszahlungen beantragen und Basiszahlungen kriegst du ja nur für ldw. Flächen (s. Art. 24 EU VO 1307/2013 i.V.m. Art. 32 EU VO 1307/2013). Dh. Gewinne und Subventionen aus der Bewirtschaftung dieser Flächen sind eindeutig einem Landwirtschaftlichen Zweck zu zu ordnen.
Über den Realitätsanspruch lässt sich hier streiten, juristisch ist das ganze allerdings recht eindeutig geklärt, s. oben.

Ich stimme aber der vorangegangen Kritik definitiv zu, auf zu dröseln was der "echten" Landwirtschaft entspricht und was z.B. "nur" Buchgewinne sind, ist im Gegensatz zur Juristerei, im "realen Leben" nicht eindeutig. Es hat ja nichts mit meinem Landwirtschaftlichen Betrieb oder meiner Wirtschaftsweise zu tun, wenn ich einen Schlepper, der längst abgeschrieben ist, noch für 30.000€ verkaufe, oder mein Ackerboden eine Wertsteigerung durch Verknappung des Ackerlandes erfährt und ich den dem meistbietenden Baulöwen in den Rachen schiebe, juristisch gesehen, aber dennoch Gewinne aus der Landwirtschaft.

Auch finde ich Rechnungen, die sich damit befassen, wieviel ein Betrieb erwirtschaften *sollte* um als wirtschaftlich dar zu stehen, schwierig. Ich verstehe sie eher als Modell. Sie sind ein Ansatz, aber lassen sich nicht über einen Kamm scheren. Die Schäferei in der ich war, hat viel mit Kooperationen gearbeitet und wirtschaftlich zu bleiben und Kosten zu senken, gemeinschaftliche Nutzung von Maschinen inbegriffen. Zurückholen von ausgelagerten Bereichen auf den eigenen Betrieb (Schlachtung, Vermarktung, zum Kostensparen) etc.
Auch wenn Land und Hof geerbt wurden, die dann vom Erbe bewirtschaftet werden, ist der vgl. mit Pachtansatz zu anderen Betrieben hinkend. Pachtansatz zeigt zwar, dass der Betrieb, hätte er kein Eigenland und nur Pacht, im vgl. zum reinen Pachtbetrieb ggf. "schlechter" wirtschaftet und ggf. eher an seiner Effizienz arbeiten sollte, als per se unwirtschaftlich täte ich ihn dann aber nicht bezeichnen.
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Henry
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Re: Berufsschäfer, Schäferei im Zuerwerb

Beitrag von Henry »

Ein weiteres Problem der Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen ist, daß sich abgeleitete Problemlösungen sich oft einfach nicht umsetzen lassen, weil es schlicht an Geld, Fläche oder auch Zulassung fehlt oder weil sich Änderungen heute in einer Geschwindigkeit ergeben, der mit landwirtschaftlichen insbesondere tierhalterischen Maßnahmen nicht zu folgen ist.
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Manfred
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Re: Berufsschäfer, Schäferei im Zuerwerb

Beitrag von Manfred »

Wie gesagt, es muss jeder selbst wissen, wie er seinen Betrieb einschätzt.
Ich finde das Konzept der Vollkostenrechnung und der Opportunitätskosten jedenfalls einleuchtet.

Wenn ich 10 ha Land habe und die für 100 Euro / ha verpachten kann, hätte ich 1.000 Euro Einnahmen ohne dafür arbeiten zu müssen.
Nutze ich das Land selbst, dann finde ich es einleuchtend, diese 1.000 Euro vom Gewinn nicht meiner Arbeits- oder unternehmerischen Leistung, sondern dem in den Flächen gebundenen Kapital zuzuordnen.

Nichts anderes sagt die Vollkostenrechnung ja aus.
Ich habe z.B. 10.000 Euro Gewinn und 1.000 Euro davon verdanke ich dem Umstand, dass ich Eigenland statt Pachtland nutzen kann.
Und diese 1.000 Euro könnte ich auch erzielen, wenn ich das Sofa statt Schafe hüten würde.

Ebenso lassen sich auch die weiteren Opportunitätskosten berechnen.
Wenn ich z.B. 3 Garagen habe, in denen ich meine ganze Schaf-Ausrüstung und Vorräte lagere, und ich könnte diese Garagen für je 50 Euro pro Monat vermieten, dann habe ich weitere 150 Euro pro Monat bzw. 1.800 Euro pro Jahr, die ich auch durch Sofahüten einnehmen könnte.
Henry hat geschrieben: Mo 12. Apr 2021, 19:06 Ein weiteres Problem der Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen ist, daß sich abgeleitete Problemlösungen sich oft einfach nicht umsetzen lassen... weil sich Änderungen heute in einer Geschwindigkeit ergeben, der mit landwirtschaftlichen insbesondere tierhalterischen Maßnahmen nicht zu folgen ist.
Das ist ein sehr großes Problem, v.a. für Betriebe, die hohe Beträge in Stallungen investieren. Die Wirtschaftlichkeit solcher Investitionen lässt sich nicht mehr seriös kalkulieren, weil sie völlig von oft irrationalen politischen Entscheidungen abhängig ist, besonders in Deutschland.
Wenn die Niederländer z.B. beschließen, dass die dichte der intensiven Tierhaltung reduziert werden soll, dann bieten die ein Rauskaufprogramm an, wo Betriebe dafür bezahlt werden, ihre Ställe dicht zu machen. So können diese Betriebe ohne großen Schaden an ihren Investitionen bzw. sogar mit einem kleinen Gewinn aussteigen.
In D werden einfach die Auflagen so weit erhöht, bis die gewünschte Zahl an Betrieben pleite geht.

Ich habe daraus meine Schlüsse gezogen. Wenn ich in Gebäude investiere, dann immer so, dass diese sich bei Bedarf leicht umnutzen lassen.
Meine Scheune und meinen alten Stall im Ort baue ich nach und nach so um, dass ich sie auch als Lagerfläche oder Stellplätze vermieten kann.
Für meinen Weideunterstand und mein Heulager habe ich zwei alte Traunsteiner Fahrsilos mit Pultdächer überdacht. Die sind so hoch, dass die Silos auch wieder als solche genutzt werden könnten. Oder als Hackschnitzel oder Brennholzlager oder Maschinenunterstand etc.
Nur meine Zäune sind halt nur als Zäune nutzbar. Die müsste ich im Zweifelsfall abbauen. Aber ein guter Teil des hochwertigen Materials wäre dann weiter verwendbar, also verkäuflich.

Ich bewundere die Leute irgendwie, die heute noch den Mut haben, hohe Summen in einen Milchvieh- oder Schweinemaststall zu investieren, uns so unser aller Lebensmittelversorgung sichern.
Ich würde mich das in diesem politischen Umfeld nicht trauen.
Manfred
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Re: Berufsschäfer, Schäferei im Zuerwerb

Beitrag von Manfred »

Das Bild habe ich gestern auf FB gefunden.
Es sagt in seiner herrlichen Zweideutigkeit evtl. nicht alles, aber vieles, was es über uns Tierhalter zu sagen gibt:
170202617_10225251322735160_4756430206579929038_n.jpg
170202617_10225251322735160_4756430206579929038_n.jpg (43.23 KiB) 2050 mal betrachtet
Quelle: https://www.facebook.com/photo?fbid=102 ... 0807684575
Manfred
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Re: Berufsschäfer, Schäferei im Zuerwerb

Beitrag von Manfred »

Farmerpirat hat geschrieben: Do 8. Apr 2021, 19:05 Moin,

mich würde interessieren wie viele Berufschäfer oder Nebenerwerbschäfer sich hier rum treiben? Also Schafhalter bei denen auch die Wirtschaftlichkeit eine Rolle spielt, wie sie diese versuchen zu erreichen, wo sie die Zukunft sehen und was von der voraussichtlich kommenden Weidetierprämie gehalten wird?

Ich spiele ja schon länger mit dem Gedanken Schafe als ein Standbein des Betriebes zu halten und so meinen Nährstoffkreislauf intern zu schliessen, jedoch scheint es wirklich ausserordentlich schwierig das auch wirtschaftlich zu betreiben und da dachte ich ich frag mal die die dieses Kunststück hinbekommen.
Um wieder zum Eingangsthema zurück zu kommen.
Ich halte ja keine Schafe, sondern Rindern im Nebenerwerb, und beschäftige mich viel mit dem Thema Wirtschaftlichkeit.
In meinem Fall extensive Haltung/Landschaftspflege auf einem Grenzertragsstandort im Mittelgebirge.
Der Umsatz kommt zu ca. 3/4 aus irgendwelchen Flächenprämien, Kulturlandschafts- und Vertragsnaturschutzprogrammen.
Ca. 1/4 (auch bedingt durch die extrem Sommertrockenheit hier die letzten Jahre, weshalb ich meine Herde nochmal reduziert habe) aus dem Viehverkauf (fast ausschließlich an den Handel).
Hier wäre es die letzten Jahre eindeutig so gewesen, dass ich ohne Vieh, nur mit Mitnahme von Extensivierungsprogrammen, eine deutlich höhere Arbeitszeitentlohnung erzielt hätte, bei etwas niedrigerem Betriebsgewinn.
Das will ich aber nicht, weil ich im Umfeld ständig vor Augen habe, wie schnell solche Ausmagerungsflächen degenerieren und an Biodiversität verlieren. Da läuft beim "Naturschutz" etwas gewaltig falsch.

Ähnlich wird es wohl auch bei dir laufen. Durch die Tiere und die damit verbundenen Kosten und den deutlich höheren Arbeitszeitbedarf eine bessere Faktorentlohnung zu erzielen, ist sehr schwer. Am ehesten geht das durch intensive Tierhaltung in größerer Zahl (die Stückkostendegression ist massiv) auf besseren Standorten (viel geringere Maschinen- und Zaunkosten pro Erntemenge).

Wer ein guter Vermarkter ist, kann das natürlich in der Direktvermarktung nutzen. Trotzdem ist es schwer, diese zusätzliche Arbeitszeit gut entlohnt zu kriegen. Da muss man sehr straff organisiert sein und hochpreisig vermarkten.

Die internationalen Kollegen, die ich kenne, die ohne Ausgleichszahlungen mit Fleischrindern oder -Schafen Geld verdienen, haben alle große Herden und große, weitgehend arrondierte Flächen und ganzjährige Freilandhaltung fast ohne Gebäude und Maschinen und nur mit minimaler zeitweiser Zufütterung im Winter. Der größte Kostenblock hierzulande ist die Winterfütterung. Wenn man die nicht in Richtung Null kriegt, hat man ohne Ausgleichszahlungen praktisch keine Chane auf eine wirtschaftliche Urproduktion. Da kann man höchstes durch gute Vermarktung selbst quersubventionieren.

Wenn du Freude an den Tieren hast, schaff dir welche an.
Wenn es dir nur um die Nährstoffkreisläufe geht, schaut lieber zu, ob du nicht von irgendwoher Wirtschaftsdünger aufnehmen kannst.
Gibt ja viele intensive Mäster, Biogaser, Pferdehalter, Kompostieranlagen etc. die nach Abnehmern für ihre Übermengen an Gülle und Mist und Kompost suchen.
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