Behandlung Kehlbiß nach Wolfangriff

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Henry
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Behandlung Kehlbiß nach Wolfangriff

Beitrag von Henry »

Immer wieder muß ich auf Bildern und Weiden sterbende Schafe sehen, die Kehlbisse erhalten haben. Mir scheint die eigentliche Todesursache jedoch oft nicht eine stark blutenden Eröffnung der Halsgefäße zu sein, sondern eine deutlich später eintretende Schwellung, die Reflux und Nahrungsaufnahme stört und zu Festliegen durch Tympanie (also Aufgasen) und Azidose führt. Oft werden die verletzten Tiere schon am Morgen deutlich aufgegast gefunden. Pathologisch erweisen sich dann die Primärverletzungen oft als Bagatellen. (Eine Eröffnung der Trachea führt primär ja nur zu Nebenluft und nicht zu einer Obstruktion)

Wie können bzw. sollten Kehlbißschafe daher versorgt werden? Sind Entzündungshemmer sinnvoll? Ist Sondierung und Entgasung angesagt?
Henry
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schafbauer
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Re: Behandlung Kehlbiß nach Wolfangriff

Beitrag von schafbauer »

Du meinst wohl einen nicht vollständigen kehlbiss.

Der kehlbiss ist ja eher dafür da damit das Opfer erstickt. Was du beschreibst ist ein kehlbiss wo der Wolf vom Schaf wieder abgegangen ist.

Ich kann mir schwer vorstellen dass ein Schäfer seine Schafe richtig helfen kann. Nicht nur wegen dem Schockmoment sondern eher aufgrund der zeitlichen Abfolge wo in der Nacht angegriffen wurde und man erst am Morgen das Ausmaß sieht
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Henry
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Re: Behandlung Kehlbiß nach Wolfangriff

Beitrag von Henry »

Dafür wäre ich ja da oder vielleicht der Hof-TA. Es passiert nicht selten, daß solche Kehlbißtiere mitten in der Herde stehend am „Flaschenhals“ erkannt werden und nach 3 oder 4 Tagen erst sterben oder sterbend auffallen.

Eine Trachea beim Schaf ist (bzw. wäre) problemlos zu versorgen. Dort entsteht auch (nach meiner tatsächlichen Ansicht) das geringste Problem. Der gequetschte Schlund und die massive Wundschwellung scheinen mir das Problem zu sein.

Aktuell werden hier die Verletzen Schafe sämtlich geschossen, weil die Prognose nicht eindeutig zu stellen und aus Erfahrung sehr ungünstig ist. Die Kosten einer Heilbehandlung übernimmt der Freistaat Sachsen bis zum Wert des Tieres und oft darüber hinaus, wenn es tragend ist. Leider nützt die Kostenübetnahme der Gebissenen nicht, wenn es keine Therapiekonzepte mit belastbarer Prognose gibt.

Vielfach haben betroffene Schäfer nach dem 1. Angriff noch Stunden und Tage behandelt gehofft und gefleht. Dann haben sie am Ende doch fast alle Opfer in die TKBA schicken müssen. Beim 2. Angriff regiert dann Dr. Kerner ab der ersten Minute. Und das womöglich nur, weil die Behandlung nicht erfolgreich war, weil sie die falsche Behandlung war.

Ich habe Einzeltiere mit männerhandgroßen Hautdefekten oder mit vollständig ausabszendierten Oberschenkelmuskeln oder auch mit durchtrennten Luftröhren oder mit vorgefallenen Darmschlingen fast komplikationslos durch gekriegt. Es ist also (mit Aufwand) machbar. Die Frage ist nur: Wie?
Henry
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peter e.
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Re: Behandlung Kehlbiß nach Wolfangriff

Beitrag von peter e. »

Henry, du schreibst von "Nahrungsaufnahme": die kann bei einem zerstörten Kehlkopf nicht mehr stattfinden. Das Tier - sofern es noch lebt - kann ja nicht mehr regulieren, wo die aufgenommene Nahrung hinkommt, die "Ventileinstellung" zur Luft- oder Speiseröhre funktioniert ja nicht mehr. Also ist entweder die Luft- oder Speiseröhre dauerhaft zu oder dauerhaft auf - und die Nahrung kommt auch oder überhaupt in die Lunge, und somit ist feierabend. Über kurz oder lang. In allen Fällen erstickt das Tier.
Die "Aufgasung" wird daher kommen, dass über die Unfähigkeit der Verschließung der Speiseröhre zuviel Luft in den Verdauungstrakt kommt und somit die aeroben Bakterien sich explosionsartig vermehren.
Du schreibst weiterhin, dass durch Schwellungen möglicher WEise Komplikationen auftreten. Ich wage zu bezweifeln, dass in solchen Fällen überhaupt geholfen werden kann, weil die zwerstörten Knorpelteile im Kehlkopf nicht reparabel sind.
Wäre meine Erklärung.
peter e.

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Henry
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Re: Behandlung Kehlbiß nach Wolfangriff

Beitrag von Henry »

Ein massiver Defekt im Kehlkopf ist ein ernstes Problem - keine Frage. Bei den von mir eröffnet gesehenen Schafen war der Kehlkopf jedoch nichtbverletzt, weshalb die Schafe wohl auch nicht zügig (und schmerzfrei, blabla) verstorben sind. Es waren Einbisse in Trachea und Schlund.

Der Kehlkopf läßt sich beim Schaf übrigens hervorragend und kinderleicht aus Richtung der Trachea endoskopieren. Jedenfalls zumindest dann, wenn der Lupus dort bereits für den Zugang gesorgt hat.

@Peter: Würdest Du sagen: funktionseinschränkender Kehlkopfdefekt = Dr. Kerner?
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peter e.
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Re: Behandlung Kehlbiß nach Wolfangriff

Beitrag von peter e. »

Henry hat geschrieben: So 6. Okt 2019, 22:45 @Peter: Würdest Du sagen: funktionseinschränkender Kehlkopfdefekt = Dr. Kerner?
Grundsätzlich ja, aber.... auch wenn von dir der Kehlkopfdefekt (nur) als funktionseinschränkend tituliert wird ist zu hinterfragen, inwieweit die Funktionseinschränkung irreparabel ist und somit Dr. Kerner zwingend wird. Aus deiner Schilderung und den bisherigen meinen Kenntnissen schließe ich, dass eine sofortige Erlösung wohl tierschutzrechtliche Relevanz hat.
Und die Endoskopierung hat welchen Vorteil bzw. Erkenntnisse erbracht?
peter e.

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Re: Behandlung Kehlbiß nach Wolfangriff

Beitrag von Henry »

Das Endoskop wurde von mir noch nicht nach Kehlbiß benutzt. Es ging um Fremdkörper in der Trachea, damals. Wenn das Loch bereits vorhanden ist, können weitere Defekte erkannt oder ausgeschlossen werden.
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peter e.
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Re: Behandlung Kehlbiß nach Wolfangriff

Beitrag von peter e. »

aber wenn das Loch doch schon da ist, dann doch auch keine Schutzfunktion durch den Kehlkopf für die Lunge mehr gewährleistet, es können ungehindert Fremdkörper eindringen, und Wiederkauf unktion??? Die ganze Steurung ist doch nicht mehr steuerbar. Hat diese Behandlung wirklich einen Sinn oder hat sie mehr eine individuelle Wissens(beschaffungs)funktion?
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Re: Behandlung Kehlbiß nach Wolfangriff

Beitrag von Schafhüterin »

Eine Behandlung über einen längeren Zeitraum übersteigt bei weitem den Wert des Schafes, ganz zu schweigen von dem zusätzlichen Pflegeaufwand für den Halter, vielleicht noch bei mehreren Schafen nach einem Riss. Welche Schäferei kann sich das leisten?

Die Erlösung wäre die erste Option, schon dem Tier zuliebe. Alles hat seine Grenzen.
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Henry
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Re: Behandlung Kehlbiß nach Wolfangriff

Beitrag von Henry »

Das Schaf hat das gleiche Recht auf adäquate Behandlung, wie jedes andere Kleintier oder auch der Wolf. Wenn es also gesellschaftlich gewünscht ist, daß für verletzte Wölfe Transportkapazitäten und Behandlungszentren vorgehalten werden, dann sollte dem Schaf nicht weniger zustehen. Wenn das viel Geld kostet und nur genauso erfolgreich sein muß, wie die Heilversuche an Wölfen, dann baue ich gern die zentrale Pflegestelle für Wolfopfer auf und betreue die. Auch die Öffentlichkeitsarbeit kann ich hier leisten und regelmäßig den Schulklassen die Einäugigen oder Blinden und die anderweitig schwerverletzten Geflickten vorführen.

Eine Luftröhre mit Öffnung heilt affenartig schnell. Muß sie tatsächlich offen gehalten werden, hilft vorgebundene oder genähte Gaze. Schafe in dem Zustand stehen ohnehin unter Antibiose. Das sind keine, die lustig in der Herde mitlaufen. Erstaunlicherweise funktioniert das Wiederkäuen und auch das Rülpsen. Ich würde daher auch jedem aus anderen Gründen erstickenden Schaf auch unter Weidebedingungen die Luftröhre eröffnen. Insbesondere natürlich hochtragenden.

Aber zurück zum Thema: Ist die Schwellung todesursächlich oder ist es die tatsächliche Geweebeschädigung von Schlund und Trachea?
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