Schlaffe Beine durch vermeintlichen Selenmangel - Hilfe

Nici_Arm
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Schlaffe Beine durch vermeintlichen Selenmangel - Hilfe

Beitrag von Nici_Arm »

Hallo liebe Forum-Mitglieder,

seit drei Wochen ziehe ich ein Flaschenlamm groß (Koburger Fuchs). Leider hat es kein Kolostrum von der Mutter abbekommen, da ich es alleine auf der Weide gefunden habe und eine Zusammenführung nicht mehr geglückt ist. Ich bin auch Neuling in dem Thema und habe mich gut eingelesen, nur das konnte ich nicht mehr rechtzeitig zuführen. Nun kam es wohl, wie es kommen musste. Der kleine Bock steht nicht mehr auf. Seit Montag sind die Beine schlaff und tragen ihn nicht mehr. Trinken tut er nach wie vor gerne und auch der Stuhlgang ist wie immer. Beim Tierarzt wurde auf Verdacht nun Selen und Vitamin E verabreicht. Habe nun noch eine zweite Meinung von einem Fach-TA eingeholt, der mir sagte, es hat keinen Wert das Lamm großzuziehen, weil ohne Biestmilch es keine Chance hat und immer anfällig für Krankheiten sein wird.

Ich stehe nun vor der Frage, das liebgewonnene Lamm einschläfern zu lassen. Wie seht ihr das? Kämpfen oder erlösen?

Vielen Dank für eure Rückmeldung.
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Steffi
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Re: Schlaffe Beine durch vermeintlichen Selenmangel - Hilfe

Beitrag von Steffi »

Ich würde mich der Meinung des TA anschließen und den Kleinen erlösen. Ohne Biestmilch ist es unwahrscheinlich, daß der vernünftig groß und alt wird. Abgesehen davon, bin ich kein Freund von Flaschen-Bocklämmern, da diese oft sehr respektlos werden und dann ohnehin zum Metzger gehen. Bis zum Schlachtgewicht ziehen, wäre eine Option, wenn er ansonsten fit wäre. Aber das ist er nicht.

Sind das denn Deine Schafe? Man kann Biestmilch auch bei der Mutter abmelken und dann per Flasche ans Lamm verfüttern. Ich verstehe nicht so ganz, wieso das zu spät gewesen sein soll? Schafe kurz vor und nach der Lammung kontrolliert man doch engmaschig. Da kann es eigentlich nicht sein, daß man da zu spät für Biestmilch kommt :gruebel:

LG
Steffi
Sheep happens
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Babs
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Re: Schlaffe Beine durch vermeintlichen Selenmangel - Hilfe

Beitrag von Babs »

Die Symptome können auch auf Lämmerlähme = Polyarthritis hindeuten.
Das kann man behandeln.

Barbara
Nici_Arm
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Re: Schlaffe Beine durch vermeintlichen Selenmangel - Hilfe

Beitrag von Nici_Arm »

Hallo Steffi,

vielen Dank für deine Meinung und Einschätzung. Ich bin da etwas hineingeschlittert in das Thema. Mein Freund hat ungefähr 10 Schafe als Nutztiere zum Abweiden der Steilhänge. Ein Lamm musste noch nie mit der Flasche aufgezogen werden (war wohl bisher Glück). Daher habe ich mich dann erst eingelesen und dann war schon sicherlich eine Woche rum, bis mir klar wurde, wie wichtig die Biestmilch für den Kleinen ist. Das muss ich wohl nun schmerzlich lernen.
Nici_Arm
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Re: Schlaffe Beine durch vermeintlichen Selenmangel - Hilfe

Beitrag von Nici_Arm »

Babs hat geschrieben: Mi 14. Apr 2021, 16:32 Die Symptome können auch auf Lämmerlähme = Polyarthritis hindeuten.
Das kann man behandeln.

Barbara
Und wie ist da die Behandlung? Ich gehe morgen zum TA und frag Ihn mal danach. Möchte das Tier aber auch nicht ewig quälen und mit Antibiotika vollpumpen. Vorallem mit der Einschätzung, dass man ein Lamm ohne Biestmilch-Verfütterung nicht groß bringt.
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Babs
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Re: Schlaffe Beine durch vermeintlichen Selenmangel - Hilfe

Beitrag von Babs »

Mit Antibiotika und Schmerzmitteln.
Ich zitiere Henry aus diesem Thread:
viewtopic.php?t=1743&start=30
Vielleicht kann er sich hier noch dazu äußern.


"Wir haben Erfahrung mit Polyarthritiden. Alle Schafe sind vollständig genesen und es blueben keine Gangauffälligkeiten zurück. Entscheidend ist es, die Krankheit zu verstehen und dann auch zu erkennen, warum die Behandlung nicht gewirkt hat.

Der Nabel ist die Eintrittspforte. Dort erfolgt eine Heilung wegen der guten Versorgung mit Antikörpern über das Blut und der anatomischen Gegebenheit Abszesse zu bilden und die Infektion abzukapseln oft unbemerkt. Ein Teil der Keime wird jedoch über Körperfrüssigkeitsströme in andere geeignete Gewebe geschwemmt. Dieser Transport und die Ansiedelung brauchen Zeit. Der Nabel ist dann vielleicht - zumindest auf den ersten Blick - schon wieder unauffällig.

Im Gelenk liegen für die Körperabwehr fatale Verhältnisse vor. Keine Blutversorgung, unduchbluteter Knorpel, Anschluß an Knochen, zerklüftete Strukturen, funktionell notwendige Kapsel. Dort kommt ein Antibiotikum wie das bei Dir eingesetzte Oxytetrazyklin erst an, wenn lange Zeit im Rest des Körpers eine hohe - höher als im Gelenk notwendige - Konzentration aufrecht erhalten wird. Folglich sind Einmalapplikationen bei Gelek- oder Knochenbeteiligung unsinnig, sondern kontraproduktiv, weil sie in Verbindung mit Entzündungshemmern - wie hier - gegeben, dem Immunsystem vorspielen: alles OK, keine Bakterien angetroffen. Dabei feiern die im Gelenk.

Bei uns immer geholfen haben rechtzeitige intraartikuläre Gaben von Cefalosporinen - also knochengängigen Antibiotika. Da wird der TA womöglich Zulassungsprobleme aufwerfen, aber das ist dem Lamm egal. Bei der Injektion in den Gelenkspalt wird erst durch die Kanüle infizierre Synovia aspiriert und fürs Labor aufgehoben. Gesunde Synovia ist klar und nur leicht schleimig, wie verdünntes Gleitgel. Infizierte von trübe weiß über gelb bis blutig, flockig, eitrig. Nach der Probenahme, wird das Gelenk mit Spüllösung gefüllt und durch die Kanüle ablaufen lassen, bis die Spüllösung klar wird. Die Spüllösung beinhaltet NaCl und ein Lokalanästhetikum - schließlich dehnen wir ein Gelenk (siehe Judo). Mit der Spülspritze wird vorsichtig abgesaugt - um Platz zu schafen.?Anschließend erfolgt die Gabe der AB-Dosis zu 1/3 direkt in das Gelenk und die Kanüle wird entfernt und Daumendruck auf die Injektionsstelle ausgeübt. Mit anderer Kanüle wird das restliche AB ins System gegeben.

Diese Maßnahme ist täglich 2 Mal zu wiederholen, solange das Gelenk wieder anschwillt. Unter Ceftriaxon erfahrungsgemäß regelmäßig 2 bis 3 Mal bei sofortiger Intervention und geringer Knorpelauflösung.

Die systemische Antibiose wird mindesten 10 Tage fortgesetzt ohne dabei die Wirkspiegel absinken zu lassen. (Sonst besiedeln die Keine durch die Hintertür Gebiete mit niedriger AB-Konzentration, also andere Gelenke, Dein Fall)

Als Schmerzmittel empfehle ich ausdrücklich Metacam UND ein Opioid z.B. Fentanyl. Die Schmerzfreiheit senkt die Bewegungshemmung und Versteifungsneigung im Gelenk und ist gut für Deine Seele.

Dr. Kerner ist die Alternative. Polyartritiden führen ansonsten immer zu Gelenknekrose, schmerzhaftem langem Sichtum und Tod durch Verhungern oder Blutvergiftung."
DINO
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Re: Schlaffe Beine durch vermeintlichen Selenmangel - Hilfe

Beitrag von DINO »

Also erstmal vorab,
Lämmer ohne biestmilch können auf jeden Fall durchgebracht werden. Das beste Beispiel läuft in meiner Junggesellen Truppe .
Ob es den Aufwand lohnt , ob man es möchte ???
Auf jeden Fall werden flaschenlämmer ohne biestmilch immer Defizite haben und im Vergleich zu gleichaltriegen immer weniger wiegen.
Alle sagten es geht nicht , da kam einer der das nicht wusste und tat es . :klug:
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Henry
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Re: Schlaffe Beine durch vermeintlichen Selenmangel - Hilfe

Beitrag von Henry »

Volle Zustimmung zu den beiden letzten Beiträgen.
Henry
der
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Nici_Arm
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Re: Schlaffe Beine durch vermeintlichen Selenmangel - Hilfe

Beitrag von Nici_Arm »

Vielen Dank für die Antworten. Ich bin genauso zwiegespalten, wie eure Rückmeldungen. Er ist sonst recht aufgeweckt und munter. Aber mitanschauen kann ich es fast nicht. Er zeigt gute Reflexe in den Vorderbeinen, aber die Hinterbeine sacken immer wieder zusammen. Habe auch den Nabel angeschaut. Zumindest für mich nichts seltsames erkennbar. Fieber hat er auch nicht. Aber er malmt mit den Zähnen, daher vermute ich, dass er evtl. Schmerzen hat.

Nach langem Recherchieren scheint es mir keine Seltenheit zu sein, dass kleine Flaschenlämmer sowas bekommen. Ich muss wohl emotional etwas Abstand nehmen, um rational entscheiden zu können.
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Henry
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Re: Schlaffe Beine durch vermeintlichen Selenmangel - Hilfe

Beitrag von Henry »

Kupfermangel ist auch in Betracht zu ziehen und mit Kupfersulfatlsg. oral über mehrere Tage leicht und billigst zu behandeln. B1 und Bkomplex sind sinnvoll. Und eine hohe D3-E-Gabe einmalig ebenso, um Rachitis auszuschließen/-schalten ... zu heilen halt.
Henry
der
Schafschützer
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