International unterschiedliche Begutachtungsprämissen

Fröschchen
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International unterschiedliche Begutachtungsprämissen

Beitrag von Fröschchen »

Mal ne Frage an alle, die in D nicht ursprünglich deutsche Schafe halten und zur Körung vorstellen:
Ist es so (macht es Sinn?), daß ein D-fremdes Schaf hier anderen Kriterien unterliegt als im Ursprungsland? Dachte bislang, daß es Rassestandards gibt, für's jeweilige Rasseschaf.

International.

Habe heute neuen Input erhalten: Jeder nationale Zuchtverband legt eigene Standards fest, da jeder andere Eigenschaften für wünschenswert hält oder auch ignoriert. GB/ F/ Island kann 1 a + beurteilen, hierzulande kann's durchaus 2 c - werden.

Ist eben so, macht das aber Sinn?

Könnte mir höchstens vorstellen, wenn hierzulande z.B. sibirische Arktisschafe gehalten werden wollten, daß dann für hiesige nichtarktisch regionale Verhältnisse neue Prämissen angepaßt werden könnten.

Allerdings GB/ D, F/D, oder CH/ A oder was auch immer ist doch relativ ähnlich... :?:

Sorry, beginne mich erst damit in Praxis zu beschäftigen, bin halt nur arg irritiert.

Vorausdank.
Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muß man vor allem ein Schaf sein. (Albert Einstein)
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Henry
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Re: International unterschiedliche Begutachtungsprämissen

Beitrag von Henry »

Es ist völlig abwegig, in Deutschland für internationale Rassen in jedem Landesschafzuchtverband eigene, aber auf das 8/8/8-System zugeschnittene Bewertungen und Standards anzunehmen. Dennoch wird es gemacht und dennoch finden sich viele Züchter damit ab. Die Beurteilung erfolgt nicht anhand der Stammzucht des Heimatgebietes, sondern anhand der zu irgendeinem Zeitpunkt übersetzten Rassebeschreibung und unter Hinzunahme irgendwelcher allgemeiner, typisch deutscher Kriterien, wie beispielsweise „Marschfähigkeit“ (die für Show-, Kreuzungs- oder Milchrassen komplett irrelevant ist) Oft erfolgt sie durch Zuchtrichter, die die Rasse und die Zuchtziele des Herkunftslandes nicht kennen und die auch die Sprache des Herkunftslandes nicht sprechen, geschweige denn die Nyancen heraushören könnten. Ich will da gar nicht wieder das Beispiel der Bluefaced Leicester anführen, due mein Landeszuchtleiter noch nach 6 Jahren „Leikäster“ nennt. Auch bei den Ziegen des arabischen Raumes zum Beispiel den Damacus goat oder den White Jamunapari Goat aus Indien ist es völlig unangebracht, eine deutsche Richtlinie aufzustellen, wenn man weder Hindi noch arabisch lesen kann und die Geschichte dahinter nicht kennt.

Warum der Unsinn dennoch gemacht wird, erklärt sich mir nur im Deutschen Wesen, an dem die Welt genesen wird.

Einem Araber ist es sowieso scheißegal, wie ein Sächsischer Schaf und Ziegenzuchtverband seine mandeläugige Schönheit mit fast bodenlangen Ohren bewertet. Der trägt ihr Bild im Handie und kennt ihren Wert, denn der hat für dieses einzelne Tier mal 50.000 Dollar bezahlt, weil es in idealer Weise dem Rasseideal seiner Heimat entspricht.
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Henry
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Re: International unterschiedliche Begutachtungsprämissen

Beitrag von grauwoller »

wenn man sich mit den einheimischen Rassen nicht zufrieden gibt, und Exoten importiert, kann man das meinetwegen machen. Aber dann von den Schafzuchtverbänden zu verlangen, dass sie sich hier gefälligst derart sachkundig machen, dass es der Qualität einer Körung im Ursprungsland entspricht, halte ich für unverschämt.

Christoph
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Re: International unterschiedliche Begutachtungsprämissen

Beitrag von Steffi »

Viele der "einheimischen" Rassen gäbe es nicht, wenn sich jedes Land derart abgeschottet hätte (s. nur allein Merino). Ich halte die Beschäftigung mit den ursprünglichen Zuchtzielen auch nicht für unverschämt, sondern für Interesse.
Ich züchte ja auch so eine "exotische" Rasse und hab bei Körungen immer den Schweizer Rassestandard zur Hand, weil die Zuchtleiter nun mal nicht von allem tiefergehende Ahnung haben (können). Gibt dann schon mal die eine oder andere nette (sic!) Diskussion. Naja, ich will keine andere Rasse, dafür nehme ich es hin, daß manche Bewertungen anders ausfallen, als ich gewertet hätte. Aber meiner Meinung nach, ist das völlig unabhängig von der Rasse. Bewertungen wurden und werden immer für ungerecht gehalten - ist nur eine Frage des Standpunktes :lachma:

LG
Steffi
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Re: International unterschiedliche Begutachtungsprämissen

Beitrag von Insane »

grauwoller hat geschrieben: So 18. Okt 2020, 10:17 wenn man sich mit den einheimischen Rassen nicht zufrieden gibt, und Exoten importiert, kann man das meinetwegen machen.

Christoph
Zu gütig. Vielen vielen Dank :roll:
Das ist kein Heu in meinen Haaren - das ist Schäferglitzer :?:
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Re: International unterschiedliche Begutachtungsprämissen

Beitrag von grauwoller »

Steffi, du hast es ja in meinem Sinne beantwortet, indem du schreibst, bezogen auf deine Rasse aus dem Wallis, dass die Zuchtleiter von allem tiefergehende Ahnung haben können. Und wenn du dann als Konsequenz immer den Schweizer Rassestandart dabei hast, ist doch alles gut.
Wenn man sich aber darüber lustig macht, dass eine Rasse von der Insel, die in Sachsen vorgestellt wird, mit sächsischem Akzent ausgesprochen wird, finde ich das schon ganz schön frech.

Christoph
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Re: International unterschiedliche Begutachtungsprämissen

Beitrag von grauwoller »

Steffi, du hast es ja in meinem Sinne beantwortet, indem du schreibst, bezogen auf deine Rasse aus dem Wallis, dass die Zuchtleiter nicht von allem tiefergehende Ahnung haben können. Und wenn du dann als Konsequenz immer den Schweizer Rassestandart dabei hast, ist doch alles gut.
Wenn man sich aber darüber lustig macht, dass eine Rasse von der Insel, die in Sachsen vorgestellt wird, mit sächsischem Akzent ausgesprochen wird, finde ich das schon ganz schön frech.

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Henry
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Re: International unterschiedliche Begutachtungsprämissen

Beitrag von Henry »

Die Schafzuchtverbände agieren als Regionalverbände, mit dem Anspruch, für alle in ihrem Gebiet gehaltenen Schafrassen Bücher zu führen und die Tiere zu bewerten. Sie lassen sich das fördern und behindern mit aller Macht und ihrem Einfluß die Gründung von Rasseverbänden. (Nolana und Kamerun zum Beispiel)

Nur deshalb mache ich mich darüber lustig, daß sie zu vielen Rassen anhungslos sind, das aber nicht zugeben wollen. Gäben sie es zu, wäre vieles einfacher.
Henry
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Re: International unterschiedliche Begutachtungsprämissen

Beitrag von Fröschchen »

Mir fällt grad noch ein, daß es innerhalb D ja doch auch regionale Unterschiede gibt: Bayern - Küste, Grenzregion Polen - Saarland. Alles in D, aber doch auch unterschiedlich in Bezug auf Vegetation und allgemein Thema Greta.

Unter dem Aspekt gehe ich davon aus, daß ein norddeutscher Körrichter ein z.B. Krainer Bergschafe noch nicht so häufig gesehen haben wird wie vielleicht ein süddeutscher, und dadurch Ausfallquoten vorprogrammiert sind.

Nationaler Förderalismus gut und schön, aber wenn's der Sache nicht dient bzw. hinderlich wird?

Wenn sowieso 95% aller Exoten-Halter mehr oder weniger Hobbyschafhalter sind und somit eh viel an Zeit und Money für ihr Hobby "verbrennen" (jeder hat ein anderes kosten- und zeitintensives Hobby) wäre es in meinen Augen zweckmäßig, daß es nationale Zuchtwarte/ Körrichter für entsprechende Rassen gibt. Bundeseinheitlich.

Durch allgelegentliche Zukäufe lernt man ja sowieso die Republik kennen (und schätzt die Reichweite eines Diesels!).

FG
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Re: International unterschiedliche Begutachtungsprämissen

Beitrag von smallfarmer »

Als Zuchtleiter käme ich mir schon ein bisschen blöd vor wenn während ein Körung ein Züchter am Ring mit nem Schweizer Zuchtstandart winkt :wink: Wenn dann noch in tiefergehenden Discussionen die Soft skills des Körteams in Frage gestellt werden, dann ist man ganz vorne.
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